Gil Scott-Heron - Storm Music

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  27. Januar 2010, 20:36  -  #Populäre Musik

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Der erste Song den ich von Gil Scott-Heron gehört hatte war 'I think I'll call it morning'. Mir sagte diese Musik sofort zu, weil alles in ihr vereinigt war, was ich mir unter populärer Musik vorstelle. Wobei populäre Musik hier nicht ganz zutrifft. Auf der Suche nach "neuer" Musik bin ich vor einigen Tagen wieder einmal bei ihm stehen geblieben und habe mir ein 'Best Of' Album genannt 'Storm Music' herunter geladen. Ich weiss, 'Best Of' Alben sind von der Musik Polizei verboten und verpönt, aber in diesem Fall eine absolut lohnenswerte und in sich schlüssige Platte. 'Best Of' ist auch ein wenig übertrieben, denn die meisten auf 'Storm Music' enthaltenen Stücke sind von dem Album 'Pieces Of Man'. Natürlich enthält die, tontechnisch übrigens remastered und mit einem exzellenten Klang versehene, Scheibe den Klassiker 'The Revolution Will Not Be Televised', eine Kritik an den Medien und dem Kapitalismus, aber auch viele andere ganz grossartige Songs.

Allen Orten liest man, dass GSH (Gill Scott-Heron) der Prototyp, Vorläufer und Wegbereiter für eine ganze Hip Hop Generation war durch seinen Sprechgesang auch 'Spoken Word' genannt, bei dem gesprochene Texte mit Musik oder Rhythmen unterlegt wurden. Nirgends auf dem Album wird das ersichtlicher als in dem Song 'Inner City Blues' bei dem Bass, Keyboards und Bläser eine melodisch-rhythmische Vorgabe machen zu denen GSH seinen Text spricht. Ganz fantastische Nummer! Er selbst sieht seine Vorreiter Stellung diesbezüglich eher distanziert, vielleicht auch aus einem gewissen Grad an Bescheidenheit, denn nicht minder bekannte Bands und Künstler wie Arrested Development, The Sugarhill Gang oder Public Enemy nennen Ihn als Vorbild. Das sind schon Kaliber.

Doch zurück zur Musik. Was mich an diesem Musiker und Künstler fasziniert ist die Tatsache, dass er nicht einfach einer bestimmte Sparte oder Musikrichtung zugeordnet werden kann. Er wird zwar häufig unter R&B und Soul subsummiert, aber das ist weniger als die halbe Wahrheit, denn seine Musik wird auch deutlich vom Jazz und Funk dominiert und das zu hören, bzw. heraus zu hören macht unglaublich viel Spass. Bereits das zweite Stück auf dem Album 'Is That Jazz?' ist eine ganz klare Remineszenz an seine Vorbilder. Ein "walking" Bass, Piano, akustische Gitarre und Keyboards begleiten ihn dabei und dieser bestimmte Sound den er so produziert ist einfach fantastisch. Ähnlich wie beim Jazz spielen einzelne Instrumente ein Solo bevor GSH seinen Text aufnimmt. John Coltrane. Dizzy Gillespie und Sarah Vaughn waren einige seiner erklärten Vorbilder. Aber er deklariert diese nicht einfach zu klassischen 'role models' die ihn beeindrucken, sondern ist fasziniert durch die Spiritualität (insbesondere Coltrane) in ihrer Musik. Ich bin leider noch immer nicht bei John Coltrane angelangt, obwohl ich es mir immer wieder vornehme... .

'Grandma's Hands' ist ein wunderbar funkig-soulig beschwingtes Stück mit kleinen akustischen Gitarrenparts und einem Saxophon Solo. Sowieso fällt fast auf allen Stücken die wunderbare Handhabung der Keyboards durch Brian Jackson auf. In einigen Tracks dachte ich er würde ein Fender Rhodes Piano spielen, so wunderschön klingen die Töne und erinnern zuweilen an das geniale Album 'From Left To Right' von Bill Evans, aber ich glaube das sind nur normale Keyboards. Das folgende 'Lady Day und John Coltrane' ist z.B. so ein Stück, in dem alle o.g. Elemente vereint sind, incl. einer Wertschätzung an diese Künstler. 'Pieces Of Man' ist ein ruhiges Stück in dem Bass und Piano/ Keyboards die deutlich hörbaren und dominierenden Instrumente sind. Ich musste schon tief durchatmen, ob der fast sparsamen und klassischen Ästhetik dieses Stückes. Der Melodie die das Piano spielt muss man sehr genau folgen und immer im Zusammenhang mit GSH's Gesang sehen, dass eröffnet sich der Zauber der Musik.
Bei 'Get out of the Ghetto Blues' verhält es sich ähnlich und ist mit Sicherheit einer der Höhepunkte auf dem Album. Das willkommene an dieser Art Musik ist, dass es auch hier wieder schwer fällt sie einzuordnen und das macht sie wiederum reizvoll. Das liegt sicherlich auch an der unorthodoxen Art von GSH zu singen.

Ich würde diese Musik wirklich als 'sophisticated' bezeichnen, das trifft sie am besten.

Einer der schönsten Songs auf der Zusammenstellung ist der letzte Titel 'Save The Children', das mit einer Querflöte, Bass und Gitarre eingeleitet wird und sofort eine sonnige lichtdurchflutete Stimmung verbreitet. Im Hintergrund hört man wieder diese wunderbaren im Klang "gedämmten" Keyboards, eine wahre Freude! Lustiger weise erinnert mich diese ganze Musik in einigen kleinen Aspekten auch an Style Council. Wahrscheinlich eher Zufall. Ich glaube es ist wieder an der Zeit ein Herbie Mann Album zu hören. Grundsätzlich mag ich die Flöte als Instrument vom Klang her nicht, aber in einer Combo oder mit funkiger Besetzung hat sie schon ihre Vorzüge.

"I gonna take myself a piece of sunshine and paint it all over the sky!" so grossartig beginnt 'I Think I' call it morning'- pure Lebensfreude. Wenn mein Wecker mal kaputt gehen sollte kaufe ich mir einen mit dem ich meinen ipod andocken kann um mich mit diesem Song zu wecken. Besser kann man einen Tag nicht beginnen. Sehr interessant und auffällig im übrigen das Schlagzeug in diesem Stück, was mich zu weiteren Recherchen veranlasste und siehe da: der Jazz Produzent Bob Thiele vereinte solche illustre und hochrangige Namen wie Ron Carter (Bass), Bernard "Prettie" Purdie (Schlagzeug) Vergessene Helden – Bernard „Pretty“ Purdie , Hubert Laws (Flöte und Saxophone), sowie die Percussionisten Eddie Knowles und Charlie Saunders für viele Alben!

GSH war in seinen Texte poetisch, politisch, zornig und versuchte stets etwas zu bewegen. Wer sich seine Biographie näher ansieht, der weiss auch warum. Ein interessantes und auch Akzente setzendes Leben und er ist nach langen Phasen der Pause auch heute noch musikalisch aktiv. Ich bin eher zurückhaltend geworden, was das kaufen oder laden ganzer Alben, insbesondere in der Popmusik, betrifft, aber diese Zusammenstellung hat sich in jeglicher Hinsicht gelohnt, gerade im Hinblick auf Einfluss den sie hatte, dem Erkennen von Zusammenhängen und dem Aufzeigen der Möglichkeiten wie einzelne musikalische Stile miteinander geschickt und stilvoll verwoben werden können und da das Mischen von mehreren Elementen auch eine Kunst ist lausche ich jetzt wieder Mr. Scott-Heron mit einem 'The Famous Grouse'.

Rick Deckard
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