David Gilmour – Unser allerbestes Jahr / Ein richtiges Buch, gelesen von den falschen Leuten

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  28. Dezember 2010, 09:19  -  #Filme

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In der Literatur ist es noch schlimmer, als im Film. Da werden englische Originaltitel ins bodenlose verunstaltet.

 

Das Buch „Unser allerbestes Jahr“ heißt im englischen Original „The Film Club: No School. No Work…Just Three Films a Week“ und beschreibt damit auch schon die zentrale Rahmenhandlung.

 

Der kanadische Journalist und Filmkritiker David Gilmour hat einen grandiosen Einfall, als die schulischen Probleme mit seinem Sohn Jesse größer werden. Warum sollte man einem Jugendlichen in der Pubertät, nicht die gleiche Zuwendung geben, wie einem Neugeborenen? Gilmour geht einen unkonventionellen Schritt. Er bietet seinem Sohn einen Deal an: „Du brauchst nicht mehr zur Schule zu gehen, Du kannst so lange Schlafen wie Du willst und feiern bis der Arzt kommt. Keine Auflagen, nur eine Gegenleistung: Wir sehen uns jeden Tag gemeinsam 3 Filme an!“

 

Als Filmliebhaber muss man natürlich nicht kritisch hinterfragen, ob das einen Sinn macht! Sondern ehr die Frage stellen, ob Gilmour die richtigen Filme zeigt! 

 

Den Anfang macht „Sie küssten und sie schlugen ihn“ von Francois Truffaut (1959).  Eine interessanter Einstieg, da ich vor einigen Jahren eine ähnliche Erfahrung wie Gilmour gemacht habe: Truffauts ist zweifelsohne eine wundervoller Amateurfilm gelungen, der einen voll ins Herz trifft. Aber die Geschichte eines jugendlichen Rebelen (Versagers wäre falsch!)  -aus der Sicht eines Erwachsenen erzählt- funktioniert für 15-jährige leider nicht . Man benötigt Lebenserfahrung um zuverstehen was Truffaut meint und warum er seine eigene Vitae erzählt. Ähnlich verhält es sich mit dem Über-Klassiker „High Noon“. Gilmour versucht seinem Sohn die Leinwandpräsenz von Gary Cooper näher zu bringen. Der Junge  versteht es nicht!highnoon.jpg Seine Augen habe nicht die visuelle Schulung bekommen, sein Gehirn verbucht die Informationen falsch. Bei „In 80 Tagen um die Welt“ langweilt sich der Teenager, obwohl sein Vater diesen Film als junger Mann so geliebt hat. Ebene wegen den Farben, dem Abenteuer und der schönen kitschigen Romantisierung. Fasziniert ist der 16-jährige dann aber interessanter Weiser von den Woody Allen Filmen „Der Stadtneurotiker“ und „Hannah und ihre Schwestern“, allerdings baut er bei „Duell“ und „Berüchtigt“ wieder ab.

 

Sein Vater spielt sich dabei eben nicht als pädagogischer Filmseminarleiter auf, sondern schildert seine Gedanken dem Leser und feuert nur kleine Speerspitzen in die Richtung seines Sohnes.

Die Faszination des Buches liegt dabei keines Fallss in der Vater-Sohn-Beziehung, sondern bei der unterschiedlichen Wahrnehmung der Filme!

 

Das Buch ist eines von diesen Büchern, die wahnsinnig erfolgreich sind und in jeder Buchhandlung auf den Top-Plätzen der Auslage liegen. Außerdem funktioniert der Vertrieb an den Bestellerständen der Bahnhöfe, Tankstellen und Zeitungsläden gut. Mit anderen Worten das Buch wird gut verkauft. Nicht zu letzt weil es „Unser allerbestes Jahr“ heißt und dem Konsumenten vermittelt wird, dass es ein Buch für Väter ist und eine „Vater-Sohn-Beziehungsgeschichte" erzählt wird. 

  

Dabei erzählt das Buch nur eine Geschichte: Was bedeutet es eigentlich, leidenschaftlich Filme zu sehen um diese für sich zu rezipieren, die gewonnen Erkenntnisse dann an eine Auswahl von Menschen weitergeben zu wollen! Mit diesem Thema kennen wir uns hier aus und ich verspreche jedem der aus eigener Erfahrung, dass das nichts im Mainstream verloren hat!

Denn dort gibt es keine Filmliebhaber, sondern nur Kinogänger!!!

 

Alan Lomax

 

 

Ein priviligiertes Erlebnis ist es dann auch die Kundenrezension auf amazon zu dem Buch zu lesen. Da es sich um über 60 Einträge handelt und das durchaus repräsentativ ist, bestätigt meine Vermutung das Schlimmste:

 

 

1234: Das Buch ließ sich leicht lesen. Schöne Lektüre zum abschalten. Ein kleiner Einblick ins erwachsen werden und eine Möglichkeit wie man als Eltern damit umgehen kann.

 

Moppelchen: Da pubertierende Söhne unterschiedliche Verhaltensweisen aufzeigen, mit denen Eltern zurecht kommen müssen, kaufte ich dieses Buch, um weitere Anregungen zu bekommen- was der Titel hoffnungsvoll umschrieb. In vielen Teilen war das Buch sehr lesenswert, nur fehlte mir die Info, womit Vater den Sohn aus der Reserve lockte, nämlich mit alten Spielfilmen, Regisseuren und Schauspielern. Diese Seiten waren sehr langatmig, wenn man die zugehörigen Filme persönlich nicht kennt und die Inhalte nicht nachvollziehen kann.

 

Goelenz: Wie kommt denn so ein Buch auf die SPIEGEL Bestsellerliste???
Das ist eine überaus flache Geschichte von zwei Couchpotatoes! Was ist das für eine Erziehungsmaßnahme, einem Schulabbrecher-Sohn zu erlauben, nichts tun zu müssen! Nichts! Nur Filme gucken mit Dad! Der meint auch noch, Filme gucken sei "Ausbildung"!
Ich habe mich durch das Buch geärgert, jetzt biete ich es nicht mal auf dem Flohmarkt an, sondern es landet im Altpapier!
Alle paar Seiten kriegt man einen kurzen Abriss über Filme dargestellt, "Dad" gaukelt einem vor, jeder Film habe einen "magischen Moment", den es zu ergründen gäbe. Dazwischen die Wiedergabe der Vater-Sohn-Gespräche, die wir nicht wirklich hören wollen!
Ich habe einen Sohn, der naturgemäß in seiner Pubertät rebelliert hat. Nie jedoch wäre mir der Gedanke gekommen, ihm nichtstun zu gestatten. Gespräche und gemeinsame Aktionen zwischen Eltern und Pubertierenden sind unbestritten wegweisend wichtig! Aber so nicht!

 

Mellü: Während des Lesens fiel es mir manchmal schwer das Buch nicht doch aus der Hand zu legen. Es zieht sich durch die Filmbeschreibungen oft in die Länge und ist nicht sonderlich spannend geschrieben. Einen Vorteil hat es allerdings: Ich habe mir dadurch einige Filme aufgeschrieben die ich gerne sehen möchte ;-)

 

C.Ellers: Dieses Buch gibt einen wunderschönen Einblick in eine besondere Vater-Sohn-Beziehung und macht Lust darauf alte Filme mit guten Freuden zu sehen.

 

Sommersaison: Der Autor verbringt weite Teile des Buches damit, sein enormes Filmwissen wiederzugeben, was für mich als Leser zweitrangig ist. Die wirkliche Beziehung zu seinem Sohn bzw. die Entwicklung des Verhältnisses zwischen den beiden tritt dabei zu sehr in den Hintergrund.

 

Emubonn: ich habe jede Seite des Buches genossen - wahrscheinlich kann man das nur, wenn man aus der selben generation stammt und Kinder in dem Alter hat. Man bekommt richtig Lust auf Kino und Interaktion mit den Kids. Leider klappts im wahren leben nicht immer ganz so schön... na ja.

 

RsVe: Wenn ich eine Aneinanderreihung von Kurzbeschreibungen von Kinofilmen hätte lesen wollen, hätte es auch eine aktuelle Filmzeitschrift getan.

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